Klangvolles Welterbe

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Für die Vermessung der Wachau ist der österreichische Musiker und Komponist Benny Omerzell durch die Region gestreift, um den Klang des Welterbes zu finden. In mehreren Kirchen hat er die Orgeln bedient und mit einem alten Kassettenrecorder ihre ganz speziellen Töne aufgezeichnet. Und zum Abschluss seiner mehrtägigen Vakanz gab es ein fulminantes Konzert in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Weißenkirchen.

Die Begeisterung ist mit jedem Wort spürbar. Spricht er von der Orgel, machen seine Finger ganz kleine Bewegungen. Unbewusst tanzen sie vor seinem Körper auf und ab, als säße er gerade noch an den Tasten. Kommt man dann auf die Kirchen, die Menschen, das Land und seine Klänge zu sprechen, leuchten seine Augen... 

Lieber Benny, du bist gerade von deiner Vakanz zurückgekehrt. Wie war die Zeit in der Wachau?

Benny: Großartig! Ich bin immer noch ganz beflügelt von all den Erlebnissen, Eindrücken und Menschen, denen ich dort begegnet bin. Solch ein Gefühl kenne ich eigentlich nur vom Alleinreisen – wenn man an einen Ort kommt, wo man niemanden kennt, aber auch für alle anderen ein Unbekannter ist.

Aber die Wachau war für dich keine Unbekannte – oder etwa doch?

Tatsächlich war ich schon öfter in der Region, doch in Form einer Vakanz natürlich noch nicht. Meine Aufgabe war es ja, den Klang des Welterbes Wachau einzufangen.

Und hast du ihn gefunden?

Ich kann das jetzt schwer in Worte fassen – ich bin ja Musiker (lacht). Ich denke auch, dass man da keine allgemeingültige Antwort geben kann: Die Wachau wird wohl für jede:n anders klingen.

Benny Omerzell ist eine Virtuose: Egal, ob er die Tasten eines Klaviers, einer Orgel, eines Keyboards bedient, solo oder mit Bands wie 5K HD, 5 Achterl in Ehr'n zusammenspielt. Für dieses Projekt hat er fünf Kirchen zwischen Krems und Melk besucht. Er wollte wissen, wie die Mauern dort klingen, welche Eigenmelodie von den Orgelmaschinen und monumentalen Steinbauten ausgeht. Und eigentlich hätten es noch mehrere Kirchen werden sollen, sagt der multidisziplinäre Künstler. Aber dann hat sich Omerzell in eine Orgel ganz besonders verliebt.


Wie die Wachau für dich geklungen hat, konnte man ja bei deinem abschließenden Konzert in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Weißenkirchen hören..

Ich hatte im Vorfeld meines Aufenthalts gesagt: Nur an einer Orgel sitzen und dort spielen – das wäre mir zu wenig. Das würde vielleicht für mich Sinn machen, aber nicht für die Besucher:innen. Mein Ansatz war es, den Gästen des Konzerts ein möglichst umfassendes Klangbild der Wachau zu vermitteln. Deshalb habe ich für meinen Aufenthalt einen alten Kassettenrecorder eingepackt und alle möglichen Geräusche in der Umgebung aufgenommen: vom Pfeifen der Wachaubahn über die Naturkulisse bis hin zu Unterhaltungen. Natürlich habe ich auch Aufnahmen von allen Orgeln mitgebracht, auf denen ich in der Wachau spielen durfte. Zusätzlich habe ich mich am Abend vor dem Konzert mit einer Hornspielerin aus der Gegend getroffen – sie hat für mich noch ein paar spezielle Melodien gespielt. Und mit dieser Palette an Klangfarben bin ich dann zum Konzert gekommen und habe alle Sounds zu einer Symbiose vermengt. Aber im Grunde habe ich vor Ort auch viel improvisiert.

Das heißt, dein Konzert war in dieser Form eine einmalige Sache?

Also ich könnte es jetzt nicht auf den Ton genau reproduzieren. Das wäre auch nicht sinnvoll. Du musst wissen: Diese Orgeln sind ja teilweise unfassbar alt. Die in St. Michael beispielsweise wurde 1420 erbaut – in die habe ich mich richtig verliebt. Ich möchte unbedingt noch einmal dorthin und ein Album aufnehmen. Und weil jede Orgel unterschiedlich gebaut ist und anders klingt, hat jede dieser Maschinen ihre ganz speziellen Eigenheiten – das beginnt bei der Registergröße, der Beschaffenheit der Pfeifen und Manuale, aber schlägt sich natürlich auch auf der Tastatur nieder.

Man spielt einen Ton – und vor einem eröffnet sich eine komplett neue Welt, sagt Omerzell über das Orgelspielen. Der 40-jährige Vorarlberger ist zwar kein gelernter Organist, hat aber schon auf zahlreichen Klaviaturen die Tasten bedient. Was ihm allerdings noch nie passiert ist: ganz alleine in einer Kirche nur für sich zu spielen. Und das mitten in der Nacht. So geschehen in der Pfarrkirche hl. Mauritius in Spitz. Benny Omerzell war neugierig, wie es sich anfühlt, im Dunkeln eine Orgel zu bedienen. „Da war eine ganz besondere Magie in der Luft“, erzählt Omerzell. Und auf einmal ist da wieder dieses Leuchten in seinen Augen.
 

Lass uns noch kurz auf etwas anderes zu sprechen kommen: Du hast ja nicht nur mehrere Kirchen in der Wachau kennengelernt, sondern auch zu beiden Seiten der Ufer gelebt – zunächst am Nordufer von Spitz, dann auf der südlichen Seite in der Nähe von Mitterarnsdorf.

Und das macht schon einen großen Unterschied! Allein schon aus topografischen Gründen: Das Nordufer ist breit und eher städtisch, am Südufer ist der bewohnte und bewirtschaftete Landstrich so schmal, dass alles kleiner und irgendwie dörflicher wirkt. Das prägt die Stimmung – und das merkt man auch, wenn man dort zu Fuß unterwegs ist: An manchen Stellen verlaufen bloß kleine Pfade direkt neben dem Wasser, dann öffnet sich wieder der Blick, und man läuft auf breiten Gehwegen.

Du hast also den Klang der Wachau zu Fuß ergangen?

Das könnte man so sagen. Ich bin jeden Tag so 15 bis 18 Kilometer gegangen – so erkunde ich eine neue Gegend am liebsten.

Und wie wird dir die Wachau als Welterbestätte nun in Erinnerung bleiben?

Das ist schon eine spannende Frage. Also, was macht diese Region zum Welterbe? Einerseits ist es natürlich die Natur – wenn man in der Wachau ankommt, weiß man zunächst gar nicht, wo man hinblicken soll. Alles ist optisch so unglaublich ansprechend und interessant, und das gehört geschützt – oder man könnte sogar sagen: konserviert. Aber andererseits soll die Wachau kein Museum sein, sondern ist auch einem Wandel unterworfen. Es geht wohl nicht nur darum, die Traditionen rund um Marille, Wein und Wissenschaft zu bewahren, sondern auch in die Gegenwart zu bringen.